Dr. Heinrich Schmelzer


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Analfistel

Eine Analfistel (Afterfistel) entsteht aus einem kryptoglandulären Abszess, einem Abszess, der durch die Entzündung einer Proktodealdrüse entsteht. Diese kleinen Drüsen liegen in unterschiedlicher Häufigkeit und Verteilung zwischen den beiden Schließmuskelringen und münden in der Mitte des Afters in die Vertiefungen der sägezahnähnlichen Grenzlinie (Linea dentata), dort, wo das sensible Lippenrot des Afters (Anoderm) in die Schleimhaut des Enddarms übergeht. Während diese Drüsen beim Tier Duftstoffe abgeben, die im Dienst der Fortpflanzung stehen, sind sie beim Menschen entbehrliche Überbleibsel der stammesgeschichtlichen Entwicklung, ähnlich dem Wurmfortsatz.

fistelschemaneuUnd ähnlich wie dieser können sie sich im Laufe des Lebens aus heiterem Himmel entzünden und mit Eiter reagieren, also einen Abszess bilden. Aufgrund anatomisch vorgegebener Spalten innerhalb und zwischen den Schließmuskeln zieht der Eiter entweder direkt zum Afterrand (Perianalabszess, tiefer intermuskulärer Abszess – Bild12) oder er breitet sich langsam tief im Fett der Gesäßbacken aus (transsphinktärer Abszess – Bild13) oder er zieht nach oben in die Wand des Enddarms hinein (Rektumwandabszess, hoher  intermuskulärer Abszess). Bleibt der Eiterherd zwischen den Schließmuskeln stecken, sind die Schmerzen groß und erschweren Diagnostik und Untersuchung (Intersphinktärabszess).

Das Vertrackte an diesen Abszessen ist, dass sie eine Analfistel hinterlassen können, wenn sie  aufgeschnitten werden oder spontan aufbrechen, d.h. sie hinterlassen eine feine röhrenförmige Verbindung zwischen der Mündung der ehemaligen Drüse im Innern des Afters und der äußeren Haut (Bild14) oder im Innern des Enddarms, eben immer dort, wo geschnitten wurde. Nicht nur, dass solche Fisteln einen chronischen Infektionsherd darstellen und ständig lästige Absonderungen produzieren, sie können auch stumm bleiben (ohne äußere Öffnung) – der Abszess ist also scheinbar abgeheilt – und erst Jahre, ja Jahrzehnte später wieder einen akuten Abszess produzieren. Analfistel, Afterfistel.

Um die Erkrankung dauerhaft zu sanieren, trachte ich daher, wann immer es möglich scheint, danach, Abszess und Quellfistel gleichzeitig freizulegen – entweder in einem Zuge (simultane Abszess- und Fistelspaltung) oder ein paar Wochen später mit einem zweiten Eingriff (synchrone Abszess- und Fistelspaltung). Hierbei muss immer gelten, auch wenn bei der Abszesseröffnung keine Primärfistel gefunden wird, heißt dies nicht, dass keine da ist, sie ist nur so diskret ausgeprägt, dass sie nicht gefunden wird, abhängig natürlich auch immer von der Expertise ds Operateurs.AFnalfistel, Afterfistel.

Auch der Analabszess und die Analfistel, die Patienten mit Morbus Crohn entwickeln, entstehen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle durch eine Entzündung einer Proktodealdrüse und folgen den gleichen anatomischen Gegebenheiten, wie sie es bei darmgesunden Patienten tun. Daher können und sollten sie, sofern nicht der Enddarm von der chronischen Darmentzündung  betroffen ist, unter den gleichen Kriterien freigelegt werden – und dies umso mehr, als dass sie sich unbehandelt sehr aggressiv ausbreiten können. Außer dass die Heilungszeit um das Dreifache verlängert sein kann, zeigen der Heilungsverlauf und das Ausheilungsergebnis keine Unterschiede im Vergleich zu Patienten mit gesundem Darm. Nur selten besteht für Crohnpatienten Grund, auf Dauer eine Fadendrainage zu tragen.

Da bei jeder Freilegung einer Analfistel ein gewisses Maß an Schließmuskelmasse durchtrennt werden muss (Bild15), ist dies prinzipiell nur bei intermuskulären Fisteln möglich. Bei transsphinktären Fisteln kommt es darauf an, wie tief sie liegen, wie kräftig der Sphinkterapparat ausgebildet ist und ob es sich um einen weiblichen oder männlichen Patienten handelt. Fisteln, die hoch den Schließmuskel kreuzen (hohe transsphinktäre Fisteln), können mit einem Faden markiert werden (Fadendrainage), um Wochen später die innere Öffnung  plastisch zu verschließen. Dabei wird ein Teil der unteren Rektumwand zungenförmig mobilisiert, wie eine Jalousie über die innere Öffnung hinuntergezogen und auf den Schließmuskel aufgesteppt (endorektale Jalousieplastik).

Dieses Verfahren ist der persönlichen Erfahrung nach sehr sicher und von dauerhaftem Erfolg. Es ist zudem das Verfahren der Wahl bei ano- oder rektovaginalen Fisteln von Frauen, also Fisteln, die ein Loch zwischen After/Enddarm und der Scheide geschaffen haben. Ein vorübergehender künstlicher Ausgang ist dabei nicht notwendig.

Der seit neuestem geübten, sofortigen Sphinkterrekonstruktion nach Freilegung einer Analfistel stehe ich aufgrund der Komplikationsmöglichkeiten skeptisch gegenüber. Das Verfahren mit einem sogenannten Fistel-Plug stellt sich mit einer 50 %igen  Rückfallqoute m.E. selbst ins Abseits.

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